„Design Thinking, das heißt doch Build, Measure, Learn, oder?“
„Ähm, nein.“
Solche Fragen begegnen mir immer wieder in Seminaren und Workshops. Sie zeigen ganz deutlich, wie groß und verwirrend eigentlich das Buzzword-Durcheinander ist, wenn es um Innovationsmethoden, Produktentwicklung und agile Arbeitsweisen geht. Der Versuch einer kurzen Buzzword-Zuordnung
Design Thinking: nutzerzentriert Prototypen bauen
Design Thinking ist eine Methode, um komplexe Probleme (auch gern: „wicked problems“) zu lösen und in einem Team auf kreative, originelle Ideen zu kommen. Design Thinker arbeiten stark menschenorientiert (oder auch: nutzerzentriert): Sie führen qualitative Interviews und entwickeln daraus Personas, um Empathie für die Zielgruppe zu entwickeln. (Mehr über Personas erfährst du in dieser Haftnotiz) Dann werden Ideen gesammelt und Prototypen gebaut – oft erst einmal aus Pappe, Lego, Pfeifenreinigern und anderem Bastelkram, manchmal aber auch schon mit Click Dummies (Webseiten oder Apps, die noch nicht wirklich funktionieren, aber zeigen, wie das Produkt aussehen könnte). Am Ende werden diese Prototypen in User Tests Menschen aus der Zielgruppe gezeigt. Mit den Ergebnissen kann der Prototyp verbessert werden, es können neue Ideen generiert werden – ein sogenannter iterativer Prozess.
Weil Design Thinking recht ausufernd werden kann, haben sich fünftägige Design Sprints durchgesetzt. In der von Jake Knapp, John Zeratsky und Braden Kolwitz entwickelten Methode rücken an die Stelle der Nutzer*innen-Interviews oft Inputs von Expert*innen aus dem Unternehmen oder der Organisation. Vorhandenes Wissen wird zusammengetragen und ausgewertet. Der Fokus liegt auf dem Produkt.
Lean Startup: ein MVP im „echten“ Leben testen
Das Prinzip Build, Measure, Learn stammt aus dem Lean Startup. Diese Methode wurde von Eric Ries in seinem gleichnamigen Buch begründet und kann als Weiterentwicklung von Lean Management verstanden werden. Im Mittelpunkt steht deshalb auch ein möglichst schlanker Prozess, was Ressourcen und Risiken angeht. Es gibt schon eine Produktidee, und der Kern dieser Idee wird in ein Minimal Viable Product (MVP) gegossen – das kleinste wirtschaftliche Produkt. Das MVP wird gleich auf den Markt geworfen. Mithilfe von Metriken, also quantitativen Daten, wird der Erfolg gemessen und das Produkt dementsprechend im laufenden Prozess angepasst. Auch Lean Startup läuft iterativ ab.
Methoden kombinieren und ausprobieren
Wenn du mit deinen Kolleg*innen ein neues journalistisches Produkt oder Format entwickeln möchtest, können beide Herangehensweisen hilfreich sein. Es kommt im Wesentlichen darauf an, ob es schon eine Idee gibt (Lean Startup) oder nicht (Design Thinking), und ob ihr Dinge lieber im laufenden Betrieb (Lean Startup) oder in einem geschützten Raum (Design Thinking) ausprobieren möchtet. Sinnvoll ist es oft auch, nach einer Design-Thinking-Phase oder einem Sprint aus dem Prototypen ein MVP zu entwickeln und den Nutzer*innen früh zu präsentieren.
Warum mir diese Unterscheidungen so wichtig sind? In der Praxis halte ich viel davon, Methoden individuell auszusuchen, anzupassen und zu kombinieren. In meinen Workshops und Projekten mache ich das meistens so. Denn in unserer komplexen, vieldeutigen Welt helfen allgemeingültige Rezepte wenig, und es gibt natürlich Gemeinsamkeiten in den Ansätzen. Wenn wir allerdings in unserer Strategie wild die einzelnen Konzepte und Begriffe durcheinander werfen, steigt die Gefahr, sich in Bullshit zu verlieren. Seit Harry Frankfurts Arbeit „On Bullshit“ aus dem Jahr 2005 ist das übrigens ein wissenschaftlicher Terminus. Der Philosoph definiert Bullshit als etwas, mit dem Menschen andere beeindrucken wollen – ohne sich um die Wahrheit zu scheren. Bullshit ist keine Lüge, sondern Gedankenlosigkeit.
Übrigens: Dieser Text ist zuerst in meinem Newsletter Haftnotiz erschienen. Wenn er dir gefallen hat, melde dich hier für die Haftnotiz an.