Mehr Tempo, schnellere Ergebnisse, Abkürzungen zum Ziel: Viele erwarten von agilen Arbeitsweisen eine höhere Geschwindigkeit im Alltag. Ein Trugschluss. Vielleicht führt das Wort “Sprint” in die Irre, das im agilen Framework Scrum einen Arbeitszyklus bezeichnet, der zum Beispiel zwei oder vier Wochen lang sein kann. Vielleicht hat das alles mit Hustle Culture zu tun.
In einer Hustle Culture streben die Leute nach Geld, Einfluss und Anerkennung – und gehen dabei weit über die eigenen körperlichen und geistigen Grenzen hinaus. Sie schrammen knapp am Burnout vorbei oder steuern direkt mitten hinein.
Hustle Culture oder Agilität?
Das ist nicht nachhaltig. Und auch nicht agil. Zum Beweis bemühe ich heute mal wieder eines der zwölf Prinzipien aus dem Agilen Manifest. Voilà:
“Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.”
Für die Sprints in Scrum bedeutet das: Nach dem Sprint folgt keine Erholungsphase wie im Sport – es geht sofort weiter mit dem nächsten und dem übernächsten. Zuverlässigkeit ist wichtiger als kurzfristige Höchstleistung.
Für die Menschen im Team bedeutet das: Sie beuten sich nicht selbst aus, sondern geben auf ihre Kräfte acht. Natürlich lassen sich stressige Phasen nicht komplett vermeiden. Aber man kann sie abfedern, sie beobachten und daraus lernen. In Team-Meetings (die in Scrum „Retrospektiven“ heißen) ist alle vier Wochen Raum, über diese Fragen zu sprechen.
Drei Tipps für nachhaltiges Arbeiten im Team:
- Kleinere Arbeitspakete und regelmäßige Feedbackschleifen. So verhindert ihr, dass sich kurz vor der endgültigen Deadline die Aufgaben stapeln.
- Vertretungsregelungen. Du kannst dich im Urlaub kaum entspannen, weil der Berg auf deinem Schreibtisch gleichzeitig immer größer wird? Du traust dich nicht, dich krank zu melden, weil dich angeblich niemand vertreten kann? Sprecht im Team früh genug und offen darüber, was liegen bleiben darf und wer in solchen Fällen Arbeit übernimmt.
- Klar über die die eigenen Grenzen und Ressourcen sprechen. Nein sagen, um Hilfe bitten, Unterstützung anbieten. Das klingt leicht, ist schwer. Mach dir persönlich deine eigenen Prioritäten und Kräfte bewusst, sprecht über eure Team-Ziele und über die Hindernisse auf dem Weg dorthin.
Übrigens: Dieser Text wurde zuerst am 21. Juni 2022 in meinem Newsletter Haftnotiz veröffentlicht. Um keinen Text zu verpassen, abonniere die Haftnotiz.